K-Camp Interviews

Die K-Camps werden von Interviews begleitet, die deren Themen noch einmal auf den Punkt bringen.

Zur Zeit schon online:
Ein Interview mit Linda Breitlauch zur Überlegung ob Spiele Kunst sind
Ein Interview mit Siggi Becker, zur Beschleunigung. Wozu auch sonst?
Ein Interview mit Christian Schicha, zu medienethischen Fragen zwischen Privatsphäre und Beschleunigung

Lesenswert.

Fortschritt

Bei ARTE wird ein Versuch über den Fortschritt gesendet. Soweit man von Senden noch sprechen kann. Wir nutzen dies hier als Hinweis auf das K-Camp, bei dem es um eben dieses Spannungsverhältnis gehen soll: Kunst, Technologie und Gesellschaft.

Details zum K-Camp natürlich auch auf Facebook.

Kurzinfo
K-CAMP
23.05.2013, ab 18:30 Uhr
Kunstsammlung NRW
Grabbeplatz 5
40213 Düsseldorf

Die Dimension des Wandels

Gelegentlich wird es gemunkelt, hinter vorgehaltener Hand geflüstert; verdächtigerweise von Individuen, deren Identität von der Hoffnung auf die Zugehörigkeit zu einer vermuteten, gar konspirativen Elite der Beschleunigung bestimmt wird: Wir erleben zur Zeit den umfassendsten Wandel seit Anbeginn von Kultur und Geschichte, der ursächlich auf uns selbst zurückzuführen ist. Doch es gibt Indizien, die diese These stützen, deren Art und Qualität uns aufhorchen lassen sollte. Denn es ist nicht nur der fachliche Inhalt dieser selben, sondern auch ebendiese Art von der sie sind, die die Bedeutung der Beweisführung ausmachen.

Die Reflexion hier soll  aus Gründen des Pragmatismus und der Bequemlichkeit des Autors auf der Spielwiese von Indizien verbleiben. Im Folgenden also: Gedankenexperimente.

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Meta-pher

Nach dem J. vor einigen Jahren das Thema aus einer sprachanalytischen und politischen Sicht auseinander klamüsert hat, habe ich aus aktuellem Anlass eine sehr viel knappere, eher medientheoretische Zusammenfassung verfasst, die, der Vollständigkeit halber, hier wiedergegeben sei.

Ist das Internet ein Raum?
[… ] wir sind uns einig, dass die “Kanal-Metapher” untauglich ist; doch ploppt in mehreren (großen) deutschen Medienhäusern nun plötzlich die Raum-Metapher wieder auf. Diese greift auf der einen Seite zu kurz und ist auf der anderen Seite – die dann wieder politisch ist – zudem gefährlich… Am Ende wird es dann utopisch.

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Delta in Progress

Es gibt da den Satz von Herrn L. das “die Gesellschaft keine Adresse” hätte. Wie, wenn sie sich in infinitesimalen Schritten eine Adresse schafft? Und welche Folgen hätte das? Welche Dynamiken entfaltet das jeweilige Delta? Als Endziel, das von unserem Standpunkt aus sichtbar wäre, würde dann die vollkommene Relationierung aller relationierbaren Datentupel (Tipler anybody?) gelten. Eben in diesem Moment der Geschichte auf Terra sind die erfolgreichsten Geschäftsmodelle Relationierungen von Datentupeln und die Relationierung von Materietupeln unterliegt einem vorhersehbaren Grenznutzen.

Jede Gesellschaft hat ihre Gesellschaft, allerdings als utopisches Endziel. Die Adressierbarkeit ist also die Utopie. Unsere heutige Utopie wäre dann im Computronium erreicht und alle Bemühungen den Heizer auf der E-Lok zu installieren, äh, die Digitalisierung und ihr Relationierungspotential ungleichzeitig einsetzen zu lassen, zu verhindern oder zu bremsen ein je interessanter Versuch Dystopien zu gebären. Jeder Arbitragegewinnler in Anzug ohne Schlips wird freundlich grüssen.

Sasaki Kojirō

Im Gespräch mit der einzigen mir leiblich bekannten fast-Soziologin und längstjährigen Schwertkämpferin wurde ich auf eine beklemmende Homologie hingewiesen, die recht betrachtet den Aufschein des Niedergangs einer der beteiligten Parteien recht lehrreich in ihrem Herzen trägt. Auch wenn die hohen Herren ihren Seminar-Sun Tzu oder Musashi auf den Nachttischchen der Leistungsträgerschlafzimmer liegen haben sollten, so ist ihnen scheinbar die unterbewusste Botschaft des Wegwerfens der Schwertscheide entgangen. “Du hast schon verloren! Oder würde der Sieger seine Schwertscheide wegwerfen?”

Wenn Macht auf der Kontrolle des Ausnahmefalles beruht, der nach möglichster Keit nie eintreffen darf, dann kommt die Anrufung höherer Mächte (Recht = Kriminalisierung des Widerparts) einem Wegwerfen der Schwertscheide gleich. Nur ein tief sitzendes Unvertrauen in die eigenen, schöpferischen Fähigkeiten lässt ein solches Handeln verständlich erscheinen.

Nachtrag: Als Begleitmusik empfohlen: Haydn, HobI 55, 1. Allegro di molto. Harr harr.

Rechte und Rollen

In den Diskursen und Diskussionen der letzten Tage (siehe: Mario zum Leistungsschutzrecht, der Austausch dazu bei Dr. J. auf Facebook, mein Artikel vom 30.12.2010, die Antwort darauf vom schon verlinken Dr. J., sowie diverse Artikel bei Klaus Kusanowsky) ging es unterschwellig auch immer um eine Schuld- oder zumindest Verursacherzuweisung. Pöbeln die Einen in die Richtung der “historisch-institutionaliserten Medien” und deren Vertreter ;-), versuchen Andere das Kapital und seine systemische Wirkung zu entlarven. Und sicher ist alles davon ein bißchen richtig.

Die Frage ist nur: Bringt uns das weiter?

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Vom Tun und Lassen

Zunächst die Quellen. Hier der offene Brief an die Verleger von Mario Sixtus auf Carta zum Leistungsschutzrecht oder, wie ich es aus einer ganzen Reihe von Gründen nenne, Reichsleistungsschutzgesetz (den von Mario erwähnten Begriff „Leistungsschutzgeld“ finde ich aber auch sehr schön). Dazu gab es eine Reihe substantieller Kommentare, unter anderem von Tim und von Klaus Kusanowsky. Nachdem ich diesen offenen Brief auf Facebook postete, entwickelte sich dort ein Diskurs, den ich trotz seines etwas holprigen Auslaufens unbedingt zu lesen empfehle (in diesem umzäunten Garten sind leider ein FB-Account und womöglich auch ein Friend Request vonnöten). Reflektierend auf diesen Diskurs wiederum sind Tims gestriger Wavetank-Artikel Diskurskratie vs. Utopiekratie zu erwähnen sowie Siggis Tweet zum Thema, den er wegen der schwierigen Wetterverhältnisse schon vergangenen Juni losschickte, so daß er uns nun rechtzeitig erreicht.

Tims Gedanken zum “Framing” teile ich zwar generell, muß aber zugeben, daß ich bei den verlinkten Ausführungen von Franz Joseph Radermacher nur deswegen nicht in Tiefschlaf verfiel, weil seine Rhetorik eine ähnliche Wirkung auf mich hat wie die von Juan Cole. Gerade dieses “Framing” hat die Postmoderne — Kunst, Literatur, Philosophie — so gründlich analysiert und durchdekliniert, daß ich es erschreckend finde, wie wenige Promille davon selbst in so intellektuelle Köpfe wie den von Radermacher Einlaß fanden. Ich denke, die Postmoderne ist eben noch nicht vorbei — nicht nur, weil mir die diffusen Signale am gesellschaftlichen Horizont nicht reichen, um das Gefühl einer „neuen Epoche“ aufkommen zu lassen, sondern auch, weil die Diskurse der Postmoderne noch gar nicht in unsere Wissensstände sedimentiert sind. Die Motoren unserer gesellschaftlichen Analyseapparate laufen noch auf modernistischem Dampf, während feuerwerkfreudige Ideologien rund um den Globus darum wetteifern, wer unsere Gesellschaften im 21. Jahrhundert mit den archaischsten und atavistischsten Teilen umrüsten darf, von der starren Achse bis zur Ochsenkraft.

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Session X: Kein Anschluss unter diesem Medium

Sollte sich nicht eine andere Lebenskultur entwickeln, wenn der Alltag gegen die Thesen und Theorien von Luhmann und seinen Freunden reflektiert wird? Unsere These ist, dass dies passiert. Nur mit systemischer Niedertracht: Nicht über den Bildungsweg. Nicht über die Curricula der Schulen und Universitäten. Sie tun es einfach. “Es” manifestiert sich in den Ritualen und Gesten, in den kommunikativen Prozessen rund um Mittel, Orte und Phänomene (nicht Medien), wie Facebook und Twitter. “Es” manifestieren sich in der Kommunikationskultur des Jahres 2010, welche schon zum Jahre 1980 nicht mehr rückwärtskompatibel ist. Es manifestiert sich in der globalen Timeline.

So gibt es einen Bruch in der Gesellschaft zwischen Jenen, die sich noch selbst in den Regeln der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts zu Hause fühlen. Dass sind jene, die Demonstrationen abhalten (siehe dazu Session 9: “Gegen Komplexität kann man nicht protestieren“). Auch die Schreibtisch-Demonstranten dieser Woche (Hintergründe bei Julius) gehören in die Kategorie derer, die gern gegen Effekte von Systemen protestieren möchten.

Der Bundespräsident trug heute, zur Session-Aufzeichnung von gestern ebenfalls bei. Der WDR berichtete:

“Bundespräsident Wulff will in seiner Amtszeit verstärkt neue Medien wie das Internet nutzen, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.

Wulff sagte bei einer Diskussion mit Informatikstudenten in Potsdam, mit modernen Kommunikationsmitteln ließen sich der gegenseitige Austausch und die Zukunft der Demokratie möglicherweise ein wenig voranbringen. Der Bundespräsident beklagte, dass sich die Bürger von den traditionellen demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten immer mehr abwendeten und am klassischen Meinungsbildungsprozess so nicht mehr teilnehmen wollten. Dies und die wachsende Kritik an den Politikern gefährde die Demokratie ernsthafter als dies im öffentlichen Raum diskutiert werde.”

Drei einfache Beispiele, die die These erlauben, dass ein Teil der Gesellschaft sich auf systemischer Ebene abgekoppelt hat. Eine Randgruppe, zu der der Bundespräsident und altmodische Verlage gehören? Vielleicht. Jedenfalls ein starkes Indiz dafür, wie sozial Technologie ist.

Diese Schlachtfelder und ihre Überflüssigkeit offenbaren jedoch, wie sehr uns wirkliche Utopien fehlen.

Siehe auch: